Juliane Müller, Inhaberin von Beauty on tour
"Wir alle sind wichtig für das System. Ich verstehe nicht, wieso das nicht gesehen wird. Ich verstehe nicht, wieso wir nicht gesehen werden", erzählt mir Juliane Müller resigniert während unseres Shootings.
Juliane ist staatlich ausgebildete Kosmetikerin, Nageldesignerin und Inhaberin von "Beauty on tour". Wer ihre Arbeit in Anspruch nehmen möchte, kann dies ganz bequem in den heimischen vier Wänden tun. Jule ist mit ihrem Equipment mobil unterwegs. Ein Vorteil im Lockdown, denn so hat sie zumindest die Ausgaben für einen eigenen Laden nicht zu tragen. Arbeiten durfte sie für viele Monate - und nun wieder - gar nicht.
"Ich frage mich, wie das weitergehen soll. Ernsthaft. Ein Lockdown folgt dem anderen, aber es tut sich nichts Wesentliches. Es ist zermürbend. Und ich fühle mich im Stich gelassen. So viele Selbstständige werden aktuell regelrecht dafür bestraft, dass sie selbstständig sind. Ich meine, wir tun etwas für die Wirtschaft des Landes, stehen dann aber allein da. Es ist ein Armutszeugnis, wie mit unserer Branche umgegangen wird. Und die Hilfen sind ein Witz, finde ich."
Juliane trifft der Lockdown, wie viele andere körpernahe Dienstleister, besonders hart. Auch hat sie keine Möglichkeit, ihre Angebote online zu verlagern.
"Das Beste für mich überhaupt war der Tag, als die Nachricht kam, dass wir wieder arbeiten durften. Endlich. Meine Arbeit bedeutet mir so viel. Ich liebe es, mit Menschen umzugehen und schätze es sehr, so viel Kontakt zu so vielen tollen Personen zu haben. Während des Lockdowns war ich quasi permanent zu Hause. Ich habe irgendwann angefangen, ohne Ziel in den Tag hineinzuleben. Wenn du nicht weißt, wie es weitergeht, fehlt dir die Motivation."
Jule hat nicht nur viel ihrer Motivation verloren, sondern auch eine Menge langjähriger Kundschaft. Selbst als sie zwischenzeitlich wieder arbeiten durfte, waren sehr viele aus Angst vor der Ansteckung sehr vorsichtig und haben auf ihre Dienste verzichtet.
"Das ist kein schönes Gefühl. Aber ich verstehe das. Die Situation ist für viele enorm anstrengend. Vielen Kunden ist der Verzicht auch nicht leichtgefallen, das weiß ich. Meine Angebote sind für einige Luxus im Alltag, für andere bedeuten sie Lebensgefühl, für viele - besonders ältere Menschen - bin ich auch eine Art Seelsorgerin, wieder anderen kann ich sogar Schmerzen nehmen, indem ich bspw. eingewachsene Nägel entferne oder kleine Druckstellen behandle.
Doch die Angst, sich anzustecken, ist eben immer präsent. Ich bin ja selbst übervorsichtig. Und da macht es mich wütend, wenn ich sehe, dass sich einige kaum noch an die Verordnungen halten. Die ganzen Vorgaben sind doch lächerlich, wenn sich nur noch einige wenige daran halten. Nur als Gemeinschaft werden wir irgendwann wieder so etwas wie Normalität genießen dürfen.
Ich bin relevant.
Was ich tue, ist von Bedeutung.
Ich gebe den Menschen ein gutes Gefühl.
Ich stehe für Lebensqualität.
Ich biete den Wohlfühlfaktor.
Ich stärke das Selbstbewusstsein.
Ich bin Seelsorgerin.
Ich bin relevant."