Julia und Leni, stellvertretend für alle Familien
Ich bin müde.
Müde vom scheinbar ewig andauernden On-Off-Lockdown.
Müde vom Home Kindergartening, Home Schooling, Home Office.
Müde vom ständigen „Haltet noch ein bisschen durch!“
Müde von der Gleichförmigkeit und Monotonie des Alltags.
Müde vom Funktionieren-müssen.
Müde vom ewigen Müde-sein.
Ich bin leer.
Ohne adäquate Möglichkeit, Kraft zu tanken und Energie aufzuladen.
Ohne Perspektive, meiner Familie und mir einen ordentlichen Ausgleich zu schaffen.
Ich bin überfordert.
Ich kann nicht mit meinen Kindern spielen und herumtoben und gleichzeitig konzentriert arbeiten. Ich kann nicht arbeiten und produktiv etwas schaffen und gleichzeitig meinen Kindern erklären, wie ein Vulkanausbruch funktioniert.
Ich bin wortlos.
Ich habe keine Worte mehr, um die Situation irgendwie schönzureden.
Ich habe keine Worte mehr, um meinen Kindern zu erklären, wieso sie Oma und Opa nicht gleichzeitig bzw. gar nicht sehen dürfen.
Ich habe keine Worte mehr, um auszudrücken, wie sehr mich das alles nervt.
Ich bin frustriert.
Frustriert, weil auf kurze und lange Sicht alle Pläne und Vorhaben der Pandemie Platz machen mussten.
Frustriert, weil die Regeln und Beschränkungen eben nicht für alle gelten und nicht überall gleich sind.
Frustriert, weil ich meinem vier Jahre jungen Kind unter Protest und gelegentlich Tränchen ein Stäbchen ins Nasenloch schieben muss.
Ich bin traurig.
Weil so viele Jubiläen und besondere Meilensteine im persönlichen Leben nicht würdig gefeiert werden durften.
Weil mir Nähe, Gemeinschaft, Beisammensein und Umarmungen fehlen.
Ich bin enttäuscht.
Enttäuscht von einem System, das in den letzten Monaten deutlich gezeigt hat, welchen Wert Eltern und vor allem Kinder haben: nämlich keinen.
Enttäuscht von mir selbst, dass mir das Durchhalten zunehmend schwerer fällt.
Ich bin unglücklich.
Unglücklich über den Zustand, dass so viel Druck von allen Seiten auf mir lastet und ich am Ende den Ansprüchen von niemandem gerecht werden kann, schon gar nicht meinen eigenen.
Ich bin besorgt.
Besorgt, dass ich die Entwicklung meiner Kinder nachhaltig beeinträchtige, indem ich ihnen die so wichtigen sozialen Kontakte verwehre.
Besorgt, dass meine Familie und ich uns trotzdem anstecken könnten, da wir für das Impfen als (noch) nicht prioritär gelten.
Besorgt, dass Social Distancing das neue Normal wird.
Besorgt, dass ein Ende des Wahnsinns trotzdem kein Anfang der gewohnten Freiheit bedeutet.
Ich bin nicht allein.
Das tröstet.
Ich bin vorsichtig optimistisch.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Ich bin relevant.
Was ich bin und wer ich bin, ist von Bedeutung.
Ich bin Mutter.
Ich schaffe das. Irgendwie.
Ich bin relevant.